Durch Libyen und Tenere

1 Die Februar-Reise

Bilma heißt der Ort, liegt im äußersten Nordosten der Republik-Niger, umgeben von Sand, Sand und nochmal Sand. Aber dort wird Salz gewonnen und das macht die Bedeutung dieser werschollenen Oase aus.

Seit ich mich mit der Sahara beschäftige, und das tat ich schon in Schulbankträumen, hoffte ich, eines Tages nach Bilma zu kommen. Bilma - das war das Ziel dieser Reise! Zwei gute und gutausgerüstete VW-Busse standen uns zur Verfügung, Schwager Til mehrfach bewährter Wüstenreisekumpan war mit von der Partie, von seiner Seite her noch sein Freund Claus, von meiner Seite mein Bekannter Niels. Über Tunis und Tripolis gelangten wir zügig auf Asphalt nach Süden bis Sebha und Um el Araach. Hier hatten wir auf einer Reise im Jahr zuvor Bekanntschaft mit Deutschen geschlossen, die dort bei einem gigantischen Agrar-Entwicklungsprojekt tätig waren. Sie verschafften uns auch diesmal wieder die Möglichkeit, die Werkstatteinrichtungen des Camps für unsere Pisten- Vorbereitungen zu benutzen.



3. FEBRUAR, DONNERSTAG

Wir kommen schwer aus den Federn! Erst um 7 Uhr sind wir munter, das Wetter ist klar und sonnig, 7 Grad Celsius, Wir können die Werkstatteinrichtungen des Camps benutzen, um unsere Wagen wüstenfein zu machen. Abschmieren, Ölwechsel, Kontrolle von Zündzeitpunkt, Vergasereinstellung. An meinem Bus hat in letzter Zeit der Anlasser ab und zu ausgesetzt, wir bauen ihn aus, reinigen ihn, stellen die elektrischen Anschlüsse neu her. So vergeht der Vormittag. Nach den Autoarbeiten tätigen wir noch ein paar Einkäufe in Araneb. Wir werden die nächste Zeit keine Einkaufsmöglichkeiten mehr vorfinden, auf dem Weg durch eines der trockensten Gebiete der gesamten Sahara.

Um die Mittagszeit herum verabschieden wir uns, es geht auf Piste! Obwohl wir vor einem Jahr diese Strecke schon einmal gefahren waren, zumindest Til und ich, haben wir anfangs erhebliche Orientierungsprobleme. Die ausgedehnten Bau- und Erdbewegungsarbeiten in Zusammenhang mit dem riesigen Agrarprojekt haben die Landschaft vollkommen verändert. Doch dann finden wir den Dünenzug, einen Ausläufer des Edeien von Murzuk, der sich wie ein Finger von diesem riesigen Dünengebiet ausgehend weit nach Osten erstreckt, sich uns quer in den Weg legt und den wir überqueren müssen. Schon im Vorfeld des Dünenzuges haben wir erhebliche Mühe und sanden zweimal ein. Der Sand ist dieses Jahr sehr viel weicher als im Jahr zuvor. Wir müssen den Luftdruck noch weiter ermaßigen, als wir es zuvor auf der Piste schon getan haben. Dann finden wir die sogenannte "Fähnchendüne", Sie ist mit einer Markierung versehen worden, um den Wüstenreisenden den besten Einstieg durch den Dünengürtel zu zeigen. Unsere Busse haben erhebliche Mühe, den Dünengürtel zu überwinden, und wir freuen uns, als wir endlich auf dem Südabhang der Dünen stehen, vor uns jetzt nur noch ein einigermaßen gut befahrbares Sandfeld.

Die Sonne knallt vom klaren Himmel, der helle Sand reflektiert das starke Licht. Wir haben den Eindruck, es sei sehr heiß, aber das Thermometer belehrt uns eines besseren - es hat auch um 14 Uhr nur 23 Grad.

Wir richten unseren Kurs exakt nach Süden und los geht es, hinaus auf das weite dimensionslose Sandfeld. Es ist vollkommen spurenlos, liegt vor uns wie ein unberührtes Schneefeld. Es macht richtig Spaß, Spuren hineinzuziehen. Til fährt voran, ich bleibe leicht versetzt in seiner Spur, die Sonne weißt uns den Weg auch Süden. Es kommt wieder jenes Gefühl einer unbändigen Freiheit auf - egal wohin du hier fährst, was du hier tust und machst, egal. Sandebene, unberührte Fläche, unendlich erscheinend. Niels neben mir macht mich auf zwei eigenartige dunkle Gebilde aufmerksam, die von links her in Richtung unserer Spur über dem Horizont zu schwimmen scheinen. Was kann das sein? Auch Til und Claus haben die eigenartigen Gebilde bemerkt und halten an. "Können das schon vorspringende Felsteile des Bergkammes sein, auf den wir zufahren?" "Wenn, mich nicht alles täuscht, bewegen sich die Dinger! Schau doch mal, bei allem Hin- und Hergeschwimme, die bewegen sich von Ost nach West!" "Die müssen riesig sein! 30, 40 Meter hoch. Das kann doch nur etwas Natürliches sein. Mensch schau mal, da ist noch ein drittes Objekt!" Wie eingeblendet taucht tatsächlich schlagartig ein drittes derartiges Gebilde auf, verschwindet immer wieder mal kurzzeitig. Es ist klar, die Luftschichtung spiegelt das Objekt immer wieder aus. Aber was kann das sein? Wir steigen auf die Dächer der Autos, nehmen die Ferngläser. Unklar! Wir werden einfach weiter darauf zufahren, dann wissen wir es bald. Eine halbe Stunde weiter ist klar, daß sich die Objekte tatsächlich bewegen und daß sie eine Farbe haben, rot und weiß. Wieder etwas später ist auch klar, daß es sich um Fahrzeuge handelt, riesige, unglaublich große Fahrzeuge. Dann sind wir dort, ihre Reifen sind gerade doppelt so hoch wie unsere Busse, enorme maschinelle Giganten, die zudem noch mit siloartigen Gebilden von gut zehn Meter Höhe beladen sind."Sanata-Fe-Corporation" steht auf den Fahrzeugen, einer der Fahrer ist Deutscher, kurzer Schnack. "Wir verlagern eine Bohrstelle aus dem Gebiet von Zouila runter nach Gatrun." "Da wollen wir auch hin." "Bei euch wirds etwas schneller gehen! Wir kommen nicht über 5 Stundenkilometer." "Dafür bewegt ihr aber auch einige Tonnen ... !" Für uns ist es gut zu wissen, daß wir hier auf dem richtigen Weg sind, die "Santa-Fe-Leute" haben nämlich in Begleitfahrzeugen ortskundige Führer dabei, und die werden ja wissen, wo es lang geht, Aber auch so sind wir uns ziemlich sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Da ist diese Steilstufe, die im Süden jäh aus der Sandebene aufragt, in angemessenem Abstand zu ihr müsset wir jetzt nach Westen abbiegen, uns immer längs zu ihr halten. Später weicht die Steilstufe nach Süden aus, jetzt biegen auch wir nach Süden ab. Es gibt wieder Spuren, mehr und mehr, sie verdichten sich zu einer Art Piste, auch Markierungen tauchen wieder auf. Das Gelände wird fester, wir fahren häufig im vierten Gang. So taucht schon rasch die Bewuchszone im Westen auf, die sich von Norden her bis zur Oase von Gatrun erstreckt. Diese Bewuchszone dient uns jetzt als Orientierung. Mit den letzten Sonnenstrahlen fahren wir in Gatrun ein. Auch hier, wie in ganz Libyen, fällt uns wieder auf, mit welcher Intensität die Libyer auch noch die kleinsten Oasendörfer modernisieren. Da werden ohne Rücksicht auf gewachsene Strukturen ganze Ortskere planiert und statt dessen hochmoderne Betonsiedlungen erstellt. Der Baustil läßt darauf schließen, daß an Kosten nicht gedacht wird. Die Tankstelle in Gatrun, eine nagelneue Anlage, ist dementsprechend mit allem modischen Schnickschnack ausgerüstet. Nachteil nur: Die neuen Maschinen funktionieren mangels Wartung schon nicht mehr. Zum Glück gehen aber die Pumpen, so können wir die Tanks und Reservekanister füllen. Auch Wasser ist in Hülle und Fülle da, wir fassen je Fahrzeug 100 Liter. Schlußendlich, als Krönung gewissermaßen, dürfen wir dann noch die Dusche der Station benutzen. Herrliches warmes Wasser aus dem Elektroboiler - eine Wohltat nach dem heutigen Sandel-Tag!

Etwas außerhalb der Ortschaft suchen wir einen netten Platz unter Palmen. Kaum ist die Sonne untergegangen, wird es merklich kalt.

4. FEBRUAR, FREITAG

Wir stehen kurz nach 6 Uhr auf, es hat 3 Grad! Brrts. Nach kurzem Frühstück und mehr oder weniger oberflächlicher Wäscherei fahren wir rein nach Gatrun, zur Polizei. Der Diensthabende dort ist unfreundlich. In sehr barschem Ton verweist es uns darauf, daß heute Freitag sei, mithin Feiertag für ihn. Wir sollen morgen wiederkommen, und überhaupt, englisch bräuchten wir dann nicht mehr mit ihm zu reden, hier spräche man arabisch!

Mit hängendem Kopf ziehen wir uns wieder auf unseren Lagerplatz zurück, holen in der Sonne das Frühstück nach, räumen, säubern, vertrödeln die Zeit. Gegen Mittag fällt uns ein, daß wir da ja noch ein Empfehlungsschreiben haben. Mit diesem versuchen wir noch einmal unser Glück bei der Polizei. Aber leider ist der Adressat des Schreibens schon am Mittwoch ins Wochenende gefahren und so werden wir ebenso barsch wie zuvor abgewiesen. Wir sammeln Holz, bummeln durch die ausgestorbene Oase. Abends kochen wir ausführlich. Da wird so manche Büchse geschlachtet - das erleichtert die Wagen für die kommende schwere Wüstenstrecke.

5. FEBRUAR, SAMSTAG

Kurz nach 6 Uhr sind wir auf den Beinen, es hat nur 2 Grad! Zum Glück haben wir vom Vortag noch Holz zurückgehalten, auch ist die Feuerstelle noch so warm, daß wir schnell wieder ein wärmendes Feuer zustande bekommen. Sehr früh sind wir wieder bei der Polizei. Der gestern so unfreundliche Uniformierte ist heute am frühen Morgen bester Laune, er scherzt mit uns herum, seine Arabisch Forderung scheint er ganz vergessen zu haben. Er dokumentiert uns, daß er sogar einige Brocken deutsch, ebenso französisch und italienisch beherrscht. So sind wir schnell abgefertigt.

Beim Zoll heißt man uns erst mal warten. Wir trinken in einem hochmodernen arabischen Cafe mit krächzender Koran-Musik Tee. Ein Zöllner gesellt sich dazu, Es stellt sich heraus, daß der Zoll-Chef, ohne den natürlich nichts läuft, noch schläft. Irgendwann kommt der "große Boss" dann angeschlurft. Er fühlt sich durch unsere Anwesenheit an dem für ihn noch sehr frühen Morgen offensichtlich erheblich gestört und fertigt uns widerwillig und unfreundlich ab. Die libyschen Autokennzeichen werden wieder zurückgegeben, neue Grenzpapiere und ein Begleitschreiben für die im Süden gelegenen Kontrollstationen ausgefertigt. Zu allem Überfluß weißt er dann auch noch seine Untertanen an, unsere Fahrzeuge heftig zu filzen. Das bedeutet für uns erhebliche Räumarbeit. "Was denkt der eigenflich, was wir aus seinem beschissenen Land rausschmuggeln könnten? Vielleicht den Streichkäse aus Finnland? Oder die geschmacklosen Büchsenfrüchte aus China?" "Na gib mal Ruhe, so ist das eben an Grenzstationen!" "Natürlich, du hast ja recht, aber der Fettwanst kann einem ganz schön auf den Wecker fallen." Schließlich sind wir jedoch fertig, raus geht es, raus auf die Piste nach Süden.

Wir kommen gut voran. Ein kiesiger nur leicht welliger Untergrund erlaubt ein regelmäßiges Vorankommen bei gutem Tempo. Dann verlieren sich plötzlich die Spuren, jeder fährt in eine andere Richtung. Wir stehen vor einem Steilabfall, an dessen Fuß die Kontrollstation Loueur liegt. Wir erkunden den besten Abstieg erst einmal zu Fuß. Tiefe Spuren wurden von früheren Fahrzeugen hier hinterlassen und bieten deutliche Anhaltspunkte für die Schwere der einzelnen Abfahrtsmöglichkeiten. Ich entschließe mich zu einer steilen sandigen Rinne, die anschließend auf eine Hochfläche führt, die von sehr weichen und kurzen harten Stellen durchsetzt ist. Der Bus kippt über die Kante, ein erschreckendes Gefühl, man hat den Eindruck, der Wagen stellt sich auf den Kopf, aber dann rutschen wir hinab, im zweiten Gang schiebt sich der Bus von harten Flächen zu harten Flächen vor, etwas mühsam kommen wir bis zur Kontrollstation. Til hat uns beobachtet, er bleibt dennoch bei seinem Weg. Wir können jetzt beobachten, wie er oben über den Abbruch hinabfährt. Er hat eine weniger steile Stelle gewählt, gleichmäßig abfallend, aber sehr weich. Er kommt nicht weit, bleibt kaum 500 Meter weiter hängen. Der Chef des Kontrollpostens hat sich inzwischen zu uns gesellt. Als er jetzt sieht, daß Til hängenbleibt, gibt er einem Fahrer Anweisungen, ihm Hilfe zu bringen. Ein Militär-Lkw, Allrad mit Zillingsachsen, fährt los, hängt den Bus von Til an und schleppt ihn bis zur Kontrollstation.

Die Abfertigung verläuft rasch und problemlos, schnell sind wir wieder auf der Piste, die jetzt durch hügeliges Gelände führt und die ganze Aufmerksamkeit erfordert. Die Markierungen sind schlecht und oft nicht vorhanden, die Spuren dagegen immer eindeutig. Nur die Abzweigung, die wir nach einiger Zeit wählen müssen, ist kaum zu erkennen. Wir halten uns einfach vorsichtshalber an die Spurenbündel, die tendenziell in unsere Richtung führen, und geraten so glücklich auf die richtige Piste. Wieder haben wir einen Abbruch vor uns, die Hochfläche davor ist schon eine Strapaze für sich. Wir sanden in einem Gemisch von Steinen und sehr weichem Sand mehrfach böse ein. Nur mit Hilfe von Sandblechen und Maschendraht kommen wir wieder frei. Riesige Steine liegen in der Spur, die den Abhang hinterführt. Wir müssen erst einmal Platz schaffen. Das Risiko, an einem solchen Stein Ölwanne oder Achsaufhängung zu beschädigen ist doch zu groß. Am Abhang steht schon ein eingesandeter Lkw, der bergauf will. Von ihm erfahren wir, daß wir auf der richtigen Piste nach Toummo sind. Außerhalb der eigentlichen Hauptspur ziehen wir an ihm vorbei, den Berg hinab. Die neidvollen Blicke der Lkw-Besatzung sind geradezu zu spüren. Sie haben es bergauf nicht so einfach.

Die Piste läßt einfach keine Geschwindigkeit zu! Immer zweiter oder dritter Gang, mehrmals bleiben wir in kurzen weichen Sandstücken hängen, da große Steine ein schnelles Einfahren verhindern. Ein mühsames Vorankommen in einer nicht weiter interessanten Hügellandschaft. Die Sonne geht unter, wenig später ist es dunkel. Wir fahren noch einige Kilometer im Licht der Scheinwerfer, die Spur ist eindeutig zu erkennen. Dann kommen wir an einen Aufstieg, der es in sich hat! Wieder verzweigen sich die Spuren rechts und links, immer ein deutliches Zeichen für eine schwierige Stelle, jeder sucht seitlich nach dem besten Durchgang, Natürlich haben wir jetzt bei Nacht keinen Überblick, der begrenzte seitliche Bereich der Scheinwerfer verhindert, daß wir die besten Flächen finden. So sanden wir nicht weit voreinander entfernt beide heftig ein. Wir nehmen dies zum Anlaß, die Fahrerei für heute einzustellen. Morgen wird's besser geben.

6. FEBRUAR, SONN TAG

Alpträume bei Nacht! Wir attackieren den Hang erfolglos, er weicht immer wieder vor uns zurück immer wieder quälen wir uns durch dieselben Stellen und haben sie doch nicht bewältigt. Im Licht de Tages sieht es dann etwas anders aus! Schon vor dem Frühstück erkunden wir zu Fuß die besten Möglichkeiten. Große Felsplatten werden uns als Zwischenstationen dienen, von diesen Ruhestellen aus wird dann immer wieder ein neuer Anlauf möglich sein, Aber der verfluchte Hang hat es in sich! Unter dem scheinbar tragfähigen Sand hat es tiefe grundlose Staubkuhlen. Schließlich laden wir aus, tragen die vollen Benzin- und Wasserkanister zu Fuß den Hang hoch. Mit den leichteren Wagen schaffen wir es dann. Oben angekommen müssen wir feststellen, daß es eine wesentlich bessere Umfahrung gegeben hätte. So ist das eben, wenn man bei Nacht fährt! Dann gerät man immer in die teuflischsten Löcher!

Um 10.30 Uhr sind wir in Toummo. Riesige Antennen haben uns die Grenzstation schon von weitem angekündigt. Unsere Pässe und Papiere werden überprüft, alles verläuft schnell und problemlos. So sind wir wenige Minuten später über der Grenze, außerhalb Libyens, im Niger. Nach ungefähr 100 Kilometern, die jetzt durch besseres Gelände verlaufen, erreichen wir hier die Grenzstation Madamia, ein altes Wüstenfort im Banko-Stil. Hier existiert sogar eine einfache Landepiste, nichts als eine ebene Sandfläche. Ein defektes Kleinflugzeug steht dort. Wie uns die Grenzbeamten mitteilen, sollte mit diesem Flugzeug ein Verunglückter bei einer Rallye ausgeflogen werden. Bei der Bruchlandung hat es dann weitere Verletzte gegeben, so daß im Endeffekt mehrere Rettungsflugeinsätze notwendig wurden. Keine schöne Vorstellung, hier, sozusagen am Ende der Welt, zu verunglücken. Die Grenzabfertigung verläuft ohne Probleme, die Wagen werden auf eine freundliche und harmlose Art gefilzt. Die Grenzbeamten machen dabei einen sehr nervösen Eindruck, da trennt sich keiner zu keinem Zeitpunkt von seinen Waffen, die Ausgucktürme starren vor Waffen, überall Maschinengewehrnester. "Vor wem fürchten sich die Soldaten hier?" "Wir sind von allen Seiten nur von Banditen umgeben, im Norden die Libyer, im Osten die Tschad-Rebellen und im Süden die regulären Tschad-Truppen, alles Banditen. Es gibt hier fast wöchentlich irgendwelche Übergriffe!" Da wundern wir uns über das militärische Gebahren natürlich nicht mehr. Aber welche Chancen hat schon ein derart isolierter Wüstenposten im Falle eines direkten Angriffs?

Die Piste wird wieder wechselhaft, viel weicher Staub. Sie macht den Eindruck, als sei seit Wochen kein Fahrzeug mehr gefahren. Ein Landroverkonvoi kommt uns entgegen, nigerisches Militär. Sie halten an, sind sichtlich über diese Begegnung erfreut. "Wie konntet ihr es nur aushalten bei diesen verrückten Libyern! Kein Alkohol! Keine Frauen!" Nun, wir konnten bisher beides leicht verschmerzen, aber als sie uns jetzt Whisky anbieten, merken wir doch, daß wir alkoholgewöhnten Europäer auf einiges verzichten mußten! Schnell sind wir ganz schön beschickert, es ist gut, daß schon früher Abend ist. Weit hätten wir derart angeheitert nicht mehr fahren können. Wir finden wenige Kilometer weiter bei Mabrous Timidinga einen hervorragenden Nachtplatz. Große Tamarisken-Kupsten bieten Windschutz, es gibt Holz in Hölle und Fülle. Die Wüste ringsum macht einen absolut reinen und unberührten Eindruck.

7. FEBRUAR, MONTAG

8 Grad beim Aufstehen. Wir genießen bei einem relativ gemütlichen Frühstück noch einmal die Umgebung, die uns schon am Abend zuvor so gut gefallen hat, Dann geht es wieder auf die entnervende Piste. Sie bietet heute nur einen Vorteil: Die frischen Spuren der gestrigen Militärpatrouille. Wir wissen ja, daß sie von Dao Timni kam und müssen uns im Zweifel nur an ihre Reifenabdrücke halten. Aber sonst! Es geht und geht nicht voran! Erst hat Til einen Plattfuß, dann schneide ich mir einen Reifen auf. Dann sanden wir wieder und wieder ein. Besonders der 50-PS-Bus tut sich sehr schwer. Auf Schritt-Tempo-Piste erreichen wir Dao Timni fast genau um 12 Uhr. Dort gibt es erst einmal großen Ärger, die Mannschaft ist auch hier über Gebühr nervös, Pässe und Kameras werden uns abgenommen. "Sie haben oberhalb des Forts angehalten und die militärischen Anlagen photographiert!" Natürlich haben wir vor Dao Timni mehrfach angehalten, da war einmal in einer Sandkuhle ein Stein beiseite zu räumen, dann mußte an Tils Wagen die vordere Blechwanne neu befestigt werden. Zu diesem Zeitpunkt war uns leider noch gar nicht bewußt, daß wir schon in unmittelbarer Nähe des Grenzpostens waren. "Hat einer von euch bei den Kurzhalten photographiert?" "Nein! Keiner!" Wir verlangen eine Gegenüberstellung mit dem Posten, der uns angeblich durchs Fernglas beim Photographieren beobachtet hat. Aber natürlich wird uns das verweigert. Und jetzt beginnt wieder diese Warterei. Zunächst können wir uns die Zeit noch damit vertreiben, Essen zu kochen, Schläuche zu wechseln, Wartungsarbeiten durchzuführen. Aber bald ist alles erledigt und jetzt werden wir ungeduldig. Wir stacheln uns gegenseitig auf und gegen 16 Uhr dringen Claus und ich wütend ins Fort ein. Bis in den Innenhof gelangen wir unbemerkt, dort sitzt die ganze Mannschaft unter lautem Gespräch und Gelächter beim Kartenspiel. Als sie uns bemerken, springen sie auf, greifen zu den Waffen. Der Kommandant dringt auf uns ein, wird handgreiflich: "Wenn Sie es noch einmal wagen, hier hoch zu kommen, werfe ich Sie ins Gefängnis!" Unsere Wut ist im Nu verraucht, natürlich war unser Vorgehen nicht richtig. Hoffentlich wirkt sich das jetzt nicht um so schlimmer für uns aus. Aus dem ungeduldigen wird jetzt ein banges Warten. Einige Zeit später verläßt der Kommandant mit einem Landrover das Fort. Was hat das zu bedeuten? Wir sind stark verunsichert. Einer der Soldaten kommt, leiht sich bei uns einen Schraubenschlüssel, den er wenig später wieder zurückbringt. Er weiß aber nichts über das weitere Vorgehen gegen uns zu berichten. Während wir noch mit ihm reden, kommt der Kommandant wieder zurück, der Soldat versteckt sich hinter unseren Fahrzeugen, sein Vorgesetzter darf ihn offensichtlich nicht bei uns sehen. In weitem Bogen geht er wieder zum Fort zurück.

Kurz vor Sonnenuntergang kommen zwei Soldaten im Schlenderschritt den Berg herunter zu uns, sie haben -das sehen wir schon von weitem - unsere Kameras dabei. Erneut beginnt ein Disput. "Sie haben militärische Anlagen photographiert, das ist streng verboten!" "Nein, wir haben vor Dao Timm überhaupt nicht photographiert. Der Posten muß sich getäuscht haben." "Wir werden die Filme in den Apparaten beschlagnahmen." "Aber damit zerstören Sie uns die Bilder, die wir zuvor schon aufgenommen haben." "Können Sie nachweisen, daß Sie das Fort nicht photographiert haben?" "Dazu müßten die Filme entwickelt werden, und das ist uns hier leider nicht möglich. Sie würden sonst leicht sehen, daß wir nichts Verbotenes aufgenommen haben." "Dann tut es uns leid, aber wir müssen die Filme unter diesen Umständen beschlagnahmen." So zieht sich das hin und her und her und hin. Aber die Fronten lockern sich mehr und mehr auf. Einer der beiden ist schließlich dafür, uns ziehen zu lassen, wie wir sind. Der andere legt sich noch eine Zeitlang quer, behauptet, der Kommandant würde verlangen, daß die Filme entnommen werden. Doch nach weiteren zähen Verhandlungen gibt auch er nach. Wir bekommen die Kameras unversehrt zurück, die Passe sind unterschrieben und gestempelt. Die beiden wünschen uns ganz freundlich eine gute Reise. Wir werden diesen Abend wieder mit langen Diskussionen darüber verbringen, warum uns die so lange drangsaliert haben, um uns dann ohne Konsequenzen weiterfahren zu lassen.

So aber sind wir erst einmal erleichtert, aber auch ziemlich ermüdet. Schon wenige Kilometer weiter finden wir einen netten Platz, der dem von Mabrous Timidinga nur wenig nachsteht: Ein kleines Wadi mit Tamariskenkupsten. Es hat einige Tubbu-Hütten dort und die Bewohner bieten uns prähistorische Artefakte zum Kauf oder Tausch an.

Als wir gegen 22 Uhr ins Bett sinken, hat es immer noch 17 Grad.

8. FEBRUAR, DIENSTAG

Mit 10 Grad und klarer Sonne erleben wir erneut einen sehr angenehmen Morgen. Wir sind schnell wieder unterwegs, die Piste ist gführig und so treffen wir schon am frühen Vormittag in Seguedine ein. Seguedine ist die nördlichste der Kaouar-Oasen. Entlang einer von Süden nach Norden verlaufenden Verwerfung staut sich hier das Grundwasser und ermöglicht so die Existenz einer ganzen Reihe von Oasen entlang dieser geologischen Anomalie. Bilma mit seinen Salinen bildet den Schlußpunkt im Süden dieser Oasenkette, die gleich einer geheimnisvollen verwunschenen Welt hinter der unermeßlichen Weite der Tenere-Wüste verborgen liegt. Das war nicht immer so! Früher, vor gar nicht allzu langer noch etwas feuchterer Zeit stellte die von uns jetzt befahrene Piste den wichtigsten Verbindungsweg zwischen Schwarz- und Nordafrika dar. Bekannt unter dem Namen "Bornu-Straße" wurden aus der Tschad-See-Region vor allem Sklaven über Bilma, Seguedine, Dao Timm, Madama, und Toummo nach Murzuk als erstem wichtigen nordafrikanischen Umschlagplatz getrieben. Immer wieder hatten wir unterwegs die noch deutlich sichtbaren Bänder dieser alten Karawanen-Straße gequert. Unvorstellbar heute, daß hier Tausende und Abertausende von Füßen diese Spuren in den Boden gedrückt haben!

Seguedine, auch heute noch Salinenort, hat seine Bedeutung längst verloren. Mit dem Vordringen von Meersalz oder großtechnisch abgebautem Steinsatz und damit verbunden einer geringeren Salznachfrage in den Salinen des Kaouar-Gebietes ging auch die Bedeutung von Seguedine noch in jüngster Vergangenheit zurück. Auch die politischen Verhältnisse trugen zum Ausbleiben von Salzkäufern bei, Seguedine gleicht so heute einer Märchenstadt, die nur noch mit ihren Ruinen an längst vergangene Zeiten erinnert. Nicht einmal ein Verwaltungsposten ist hier eingerichtet, obwohl mehrere hundert Einwohner hier leben. Die Flagge der Republik Niger ist nur über dem Schulgebäude gehißt. Die Bewohner sind vor allem Kanouri, schwarzafrikanische ehemalige Sklaven der Tubbu. Hier seßhaft geworden, verdienen sie sich ihren Lebensunterhalt durch den Verkauf von Salz und Datteln. Die Tubu, heute eine ihrer ehemaligen Macht weitgehend beraubte Minderheit, haben sich vor allem in den Tschad zurückgezogen. Früher gefürchtete Wüstenräuber, die auch manchem deutschen Afrika-Forscher schwer zugesetzt haben, verstärken sie auch heute noch mit ihren ungebärdigen Denk- und Verhaltensweisen die Gruppen der Frolinat-Partisanen.

Wir bummeln durch die vom Sand halb zugewehten Gassen von Segeduine, besuchen die Salinen. Die Einwohner bieten uns auch hier schöne prähistorische Artefakte an, Pfeilspitzen, Steinbeile. Sie plündern zum großen Ärger der Archäologen die Fundstellen der weiteren und näheren Umgebung, zerstören dabei natürlich die über Jahrtausende gewachsenen Schichten und erschweren damit eine exakte Forschung. Aus diesem Grund wurde das Aufsammeln und Ankaufen solcher Artefakte auch unter strenge Strafe gestellt und wehe dem Touristen, der in Dirkou oder Agadez bei einer Kontrolle mit einer größeren Zahl solcher Objekte auffällt!

Gegen Mittag fahren wir weiter. Der Pic Zumri ist zunächst unser Wegweiser, ein auffälliger spitzkegliger Berg. Dann orientieren wir uns an der exakt Süd-Nord verlaufenden Kaouar-Falaise. Mit dieser exakten Orientierungsmöglichkeit können wir unsere Fahrstrecke frei wählen. Weiter im Westen scheint der Untergrund fester, so fahren wir so weit westlich, daß wir die Falaise gerade noch erkennen. Es hat 28 Grad, aber irgendwie ist es drückend, fast schwül.

Durch exakte Messung auf der Karte und mit Hilfe des Kilometerzählers navigieren wir uns zum Lac Arrigui, einem flachen See, der sich am Fuß des Steilabbruchs befindet. Das Gelände dorthin ist nur sehr schwer zu bewältigen, flache, aber sehr weiche und stellenweise bewachsene Dünen. Wir lassen Tils Bus außerhalb des schweren Geländes stehen, laden alle schweren Dinge in ihn ein. Claus und Til stellen sich dann bei mir hinten auf die Stoß-Stange. Kurz vor dem Hängenbleiben springen sie jeweils ab, schieben und springen rechtzeitig nieder auf. So kommen wir gut an den Sec. An einem Dünenhang bleiben wir bergabwärts stehen und gehen den Rest zu Fuß. Dichte Palmhaine lassen nur wenige Durchschlupfmöglichkeiten, um bis zum Wasser vorzudringen. Wir werden von wahren Schnakenheeren überfallen und ziehen uns deshalb rasch wieder zurück.

Nach einer Tee-Pause sind wir schnell in Dirkou, dem militärischen Verwaltungszentrum des Kannar-Gebietes. Für uns ist der Ort besonders wichtig, weil es hier Benzin gibt. Ein Libyer namens Jerome bringt faßweise das billige libysche Benzin über die Grenze und verkauft es dann in Dirkou zu hohen Preisen an jeden, der es nötig hat. Und wir haben es nötig! Die einzige "Tankstelle" im Umkreis von etwa 800 Kilometer -Radius!

Wir haben die Pässe abgegeben, vor morgen sollen wir sie nicht zurückbekommen. So suchen wir uns einen Platz außerhalb des Ortes auf der freien Sandfläche.

Am Abend entwickelt sich zwischen uns vieren eine leidenschaftlich geführte Diskussion. Unser Ziel ist (oder besser gesagt: war) die Querung des Bilma-Ergs auf dem direkten Weg nach Süden zum Tschad-See. Til und Claus wollen von diesem Vorhaben Abstand nehmen, sie trauen ihrem Bus die Dünen nicht zu, Niels und ich dagegen sind der Ansicht, daß wir ohne einen Versuch das geplante Vorhaben nicht aufgeben sollten. Wir werden uns nicht einig und ohne Beschluß gehen wir sehr spät ins Bett.

9. FEBRUAR, MITTWOCH

Am frühen Morgen sind wir schon auf der Militärstation. Die Eintragungen sind rasch vollzogen. Wir müssen eine Verantwortlichkeitserklärung unterschreiben, nach der wir für uns selbst verantwortlich sind. Andernfalls hätten wir einen teuren Führer mitnehmen müssen.

Die Strecke nach Süden, Richtung Bilma, läßt sich nicht schlecht an. Wir kommen zügig voran, häufig fahren wir Tempo 70, wobei man berücksichtigen muß, daß praktisch keine Piste vorhanden ist. Mehr als schwache Spuren sind nicht erkennbar. Nach 20 Kilometern queren wir etwas mühsam einen flachen Dünenzug, danach wird das Gelände schwieriger, häufig müssen wir uns im zweiten Gang durchquälen.

Wir fahren in Bilma ein! Die Oase überrascht zunächst einmal durch einen perfekten Kreisverkehr am Ortseingang! Die zweite Überraschung sind die vielen schattigen Bäume, die die Straße im Zennner säumen. In den Häusern rechts und links davon sind kleine Boutiquen, das Angebot ist allerdings mehr als dürftig. Aber was will man auch erwarten? Normalerweise kommen hier mehr Kamele an als Fahrzeuge! Wir gehen zunächst zur Polizei, da wir wahrscheinlich auf den Stempel im Paß warten müssen. Sie wollen uns auf morgen vormittag vertrösten, aber als sie hören, daß wir bereits am gleichen Nachmittag wieder weiterfahren möchten, lassen sie sich auf den Spätnachmittag als Termin ein. Wir bummeln durch den Ort. Auf dem noch aus der französischen Zeit stammenden Postamt können wir sogar ein Telegramm aufgeben (das allerdings nie angekommen ist). Die Atmosphäre ist beeindruckend. Oberall Senegalfinken, die zwitschernd aus und ein fliegen und im Gebälk des Postamtes ihre Nester bauen.

Dann besuchen wir die Salinen, die allerdings wie tot und ausgestorben daliegen. Kein Mensch arbeitet, nur eine sehr kleine Karawane mit fünf Kamelen lagert in der Nähe der Süßwasserquelle, die auch wir uns als Standort für den Nachmittag auserkoren haben. Ich bin sehr enttäuscht! Das hatte ich mir anders vorgestellt. Hunderte von Kamelen, geschäftiges Treiben beim Salzhandel, das waren meine Wunschvorstellungen. Und jetzt das!

Wir werden um darüber einig, daß wir zunächst versuchen werden, über Fachi nach Agadez zu kommen. Das ist eine Kompromißlösung, der Mittelweg zwischen der Querung des Ergs direkt nach Süden und der Ausweichroute über die Falaise von Achegour. So fahren wir am späten Nachmittag zurück in den Ort und bekommen auch tatsächlich unsere Pässe schon wieder. Auch hier müssen wir die schon bekannte Verantwortlichkeitserklärung unterschreiben, nach der wir keinem die Schuld zuschieben können. wenn uns auf der gefährlichen Piste etwas zustößt.

Vorbei am ehemaligen Leuchtfeuer des alten Landeplatzes von Bilma verlassen wir die Oase, finden auch schnell die Eisenstangenmarkierungen. Vor uns liegen die ersten Dünengürtel. Ungeschickterweise hatten wir zuvor den Luftdruck nicht abgesenkt, so bleiben wir schon in einem der ersten Dünentäler dick hängen. Bis wir wieder beide Busse auf einer einigermaßen festen Sandinsel haben, ist es dunkel. Wir bleiben an Ort und Stelle.

In Bilma konnten wir Wein kaufen, die Flasche für 10,-DM. Aber den Luxus mußten wir uns leisten, gewissermaßen als Belohnung für unsere Ankunft in Bilma. Jetzt haben wir die kleinen Flaschen schnell leer. Ein paar Büchsen Pickelsteiner-Eintopf vervollständigen das luxuriöse Abendmenü.

10. FEBRUAR, DONNERSTAG

Wir stehen schon um 5 Uhr auf, der Sand ist in der Kälte noch tragfähiger. Es hat 6 Grad, vor Sonnenaufgang sind wir schon unterwegs. Der Sand ist zwar weich, aber wir kommen dennoch gut voran, nur der dritte Gang - der ist überflüssig. Plötzlich ist Til hinter mir verschwunden. Wir warten zunächst, in der Hoffnung, daß er rasch auftauchen wird. Aber er kommt und kommt nicht. So drehen wir um und finden ihn an einer der sanften Steigungen, ziemlich hoffnungslos im Sand versackt. Die kleine Maschine zieht einfach nicht genug. Til ist nervös, er will die Strecke nicht riskieren. So fällt gezwungenermaßen der Entschluß zur Umkehr. Ich bin enttäuscht, aber es hat keinen Sinn, als einziger eine riskante Strecke gegen die Meinung der anderen durchzusetzen.

Es ist erst 8 Uhr, als wir uns auf den Rückweg machen. Wir fahren an Bilma vorbei, sind schnell wieder in Dirkou. Auch hier halten wir uns in Ortsferne, um nicht noch einmal beim Militär aufgehalten zu werden. Es geht hinaus in die weite Ebene des Tenere.

Tenere! Was rankt sich nicht an Geschichten und Erzählungen über Unglücks- und Zwischenfälle um diese Wüste, in der Wüste. Tenere - das "Land da draußen" -eine fast ungegliederte sandige und kiesige Ebene, dimensionslos, unendlich. Ein Eindruck, der besonders dann auftritt, wenn durch die überhitzte Luft in Bodennähe Erde und Himmel am Horizont fast ohne Grenze miteinander verschwimmen. Es gibt wohl keinen Wüsten- oder besser Saharakenner, der nicht davon träumt, einmal dieses abgelegene Eck zu durchqueren. Ich aber habe jetzt nur eines im Sinn: So schnell wie möglich Agadez zu erreichen, so schnell wie möglich diese Reise zu Ende zu bringen, die mich doch nicht an die gesetzten Ziele gebracht hat!

Wir kommen gut voran. Nur einmal sanden wir 50 Kilometer nach Dirkou an der Z-Düne ein. Dann geht es wieder zügig weiter. Cram-Cram taucht auf, die Sudanklette. Immer wieder finden wir auch weite Flächen bewachsen von spärlichem Gras.

Diese Strecken sind besonders unangenehm, da sich praktisch an jedem Halm ein kleiner Sandhaufen angelagert hat, der der Federung und den Stoßdämpfern der Wagen hart zusetzt. Und zwischen den Huppeln ist der Sand sehr weich. Die Temperatur ist nicht hoch, dennoch werden die Motoren heiß, so daß wir ab und zu Abkühlungspausen einlegen müssen.

MeinWagen schluckt ganz schön Öl. Eben habe ich den 5-Liter-Kanister angebrochen, Aber falls das Motoröl nicht genügen sollte - es ist noch dickflüssiges Getriebeöl da, das verheizt sich nicht so schnell! Wir machen uns vorläufig keine Sorgen. Über die harmlose Falaise von Achegour und dem Brunnen dort mit seinem klaren, kalten Wasser geht es Kilometer um Kilometer nach Westen. Die Etappen werden nur durch den Tachometer bestimmt, das Gelände weißt keine Strukturunterschiede auf. Die Nacht bricht herein. Da genug Spuren vorhanden sind wollen wir die Kühle nutzen, um noch ein Stück voranzukommen. Doch dann geraten wir in ein weiches Stück, sanden wieder und wieder ein. Wir quälen uns von Sandbrett zu Sandbrett. Nach einer Stunde haben wir gerade 3 Kilometer geschafft, für die nächsten zwei schuften wir fast bis Mitternacht, Wir sind vollkommen geschafft! Ein Fahrzeug kommt von hinten, vermutlich der Miltär-Lkw, von dem wir schon in Dirkou hörten, daß er nach Agadez fahren würde. Wir warten auf ihn. Doch der Wagen weicht weit nach Norden aus, so weit, daß wir seine Scheinwerfer nicht mehr erkennen können. Erst im Westen von uns kehrt er wieder auf die Spmzurück, wir können seine Rücklichter gerade noch erahnen, das Geräusch seines Motors dringt in dieser unfaßbaren Stille noch lange zu uns. So ist das - wersich auskennt, bleibt nicht wie wir mitten in der Sch... hängen!

11, FEBRUAR FREITAG

Schon früh am Morgen sind wir wieder unterwegs, durch die weichen Sandfelder nach Westen, stetig, gleichmäßig. Ebene, nichts als Ebene, weite, sandig-weiche unendliche Ebene. Gegen Mittag erreichen wir wieder ein Geländemerkmal- ein künstliches! Hier stand einst ein Baum, der berühmte "Arbre du Tenere". Erst wurde er ein Opfer der Dürrekatastrophe der frühen siebziger Jahre, dann lieferte ihn vollends ein Lkw-Fahrer. Jetzt steht er lackiert und unter Dach im National-Museum des Niger in Niamey, an seiner Stelle ein Eisenbaum aus verschweißten Wasserrohren und hinter einer niedrigen Mauer - ein kleines Nachfolgebäumchen, angewiesen auf die Wasserspenden der durchkommenden Wüstenreisenden, die ihm aus mehr als 50 Meter Tiefe ein bißchen Wasser aus dem Brunnen heraufziehen.

Wir nähern uns den Ausläufern des Air-Berglandes. Hier versammeln sich alljährlich die Karawanenleute mit ihren Kamelen, um dann in wochenlangen Fußmärschen die Tenere-Wüste zu durchqueren und in Bilma oder auch Fachi Salz einzuhandeln, mit diesem zurückzukehren, es zu verkaufen, um sich so den wichtigsten Beitrag für ein weiteres Jahr Überleben zu erarbeiten. Mit den Bergen treten Steine auf, Hügel und Täler, trockene, schwer zu bewältigende Flußbetten, Bewuchs und Staub. Die reine Wüste bleibt zurück. Wir nehmen es mit Bedauern hin, was bleibt uns anderes übrig. In einem der Wadis treffen wir auf eine Tuareg-Gruppe. Wir beschenken die Leute überreichlich mit unseren Notvorräten, die wir jetzt ja nicht mehr benötigen, so kurz vor Agadez und mit dem nicht realisierten Ziel des Bilma-Ergs, von dem wir ausgegangen waren, als wir die Vorräte anlegten.

12. FEBRUAR, SAMSTAG

Wir sind nur noch wenige Kilometer vor Agadez! So lassen wir uns Zeit mit dem Frühstück. Die reichlichen Wasservorräte - auch sie waren für den Bilma-Erg dimensioniert - erlauben eine ausführliche Wäscherei. Wir machen uns richtig stadtfein, Agadez - für uns stellt die Stadt vor allem in zwei Punkten eine Attraktion dar: Es gibt ein Hotel, von dem aus die Verkaufsgespräche für die Busse abgewickelt werden können, und einen Flugplatz, von dem aus die Möglichkeit besteht, zurückzufliegen.

Es zeigt sich rasch, daß weder die eine noch die andere dieser Verlockungen für uns zum Tragen kommt. Die VWs sind hier in Agadez nicht zu verkaufen und unter diesen Umständen ist auch an einen Rückflug nicht zu denken. Es fällt uns sehr schwer, uns von den Annehmlichkeiten des Hotels "Air" wieder zu trennen. Wir sitzen einen Tag zuviel herum, fahren dann non-stop in einem Tag bis Niamey, über die damals noch annehmbare Piste In Gall-Tahoua. In Niamey verkaufen wir die Busse, wobei wir nicht einmal die Hälfte von dem bekommen, was wir in Deutschland dafür bezahlt haben.


aus Falk, Rainer: Abenteuer Sahara - mit dem Auto durch die WüsteBerichte weiterer Reisen dort ...
  • Weitere VW-Bus Reiseberichte
  • technische Hinweise zum VW-Bus